Dezember, 2005
Aussage:
Johann Dietrich Wörner,Professor, Vorsitzender d. Regionalen Dialogforums
Achim Fränkle,Gutachter
Reinhard Sparwasser,Professor, Gutachter
Gelesen im Rüsselsheimer Echo
Johann Dietrich Wörner, Präsident an der Technischen Universität Darmstadt und Vorsitzender des Regionalen Dialogforums zum Frankfurter Flughafenausbau, brachte es gleich zu Beginn auf den Punkt. „Ein absolutes Nachtflugverbot ist utopisch“, erklärte der Professor. Wörner dämpfte so die Erwartungen der Zuhörer in der Rüsselsheimer Stadthalle, die am Mittwochabend gekommen waren, um sich über ein Gutachten mit dem sperrigen Titel „Praxisorientiertes Umsetzungskonzept zur Verlagerung der Flugbewegungen in den Zeiten des geplanten Nachtflugverbots am Flughafen Frankfurt“ zu informieren. Das Papier war vom Dialogforum bei dem Ingenieur Achim Fränkle in Auftrag gegeben worden.
Utopisch sei ein absolutes Nachtflugverbot, weil es nicht nur für Rettungsflüge, sondern auch für einzelne Frachtflüge wie zum Beispiel in die USA wegen der Zeitverschiebung Ausnahmeregelungen geben müsse. Außerdem sei ein Zeitfenster für verspätet oder verfrüht ankommende Flugzeuge einzuplanen, erläuterte Wörner.
Innerhalb der gesetzlichen Nachtruhe von 22 bis sechs Uhr gab es im Jahr 2002 in Frankfurt insgesamt 38 990 planmäßige Flugbewegungen – außerplanmäßige Ereignisse wurden in das Gutachten nicht eingerechnet. In der so genannten „Mediationsnacht“ zwischen 23 und fünf
Uhr gab es rund 45 Flugbewegungen pro Nacht – wohl zu viel für lärmgeplagte Anwohner. Sie forderten lautstark ihr Recht auf eine ruhige Nacht ohne jegliche Störung. „45 Flugbewegungen sind 45 Flugbewegungen zu viel“, hieß es aus dem Plenum in Rüsselsheim.
Eine ruhige Nacht jedoch sei juristisch und wirtschaftlich nicht durchzusetzen, erklärten Professor Reinhard Sparwasser, einer der Gutachter zur rechtlichen Umsetzbarkeit des Nachtflugverbots, Ingenieur Fränkle und Professor Jörg Berkemann, Richter am Bundesverwaltungsgericht a. D., den gut 60 Anwesenden.
Schutz von Gesundheit und Lebensqualität
Der Schutz von Gesundheit und Lebensqualität der betroffenen Bevölkerung müsse gegen den Schaden durch Benachteiligung von Airlines und den Standortvorteilen anderer Flughäfen abgewogen werden. Falls eine akute Gesundheitsgefahr durch nächtlichen Fluglärm bestehe, wolle man ein umfassendes Verbot
fordern, sagte Wörner weiter.
Dies sei jedoch nicht der Fall. Einwände der Betroffenen, sie litten unter einem nächtlichen Lärmpegel von 70 Dezibel, wurden von Berkemann als juristisch unbedeutend zurückgewiesen. „Eine solche Lärmbelastung wird nur bei offenen Fenster erreicht, und es gibt kein Grundrecht auf eine Nachtruhe mit offenen Fenstern“, erklärte er einem zornigen Kelsterbacher.
„Einen bestimmten Anteil an Flugbewegung werden wir nachts akzeptieren müssen“, sagte Fränkle. Von einem internationalen Flughafen werde Flexibilität erwartet; ein kleineres Zeitfenster für Starts und Landungen bedinge Mehrkosten wegen mangelnder Auslastung von Flugzeugen. Zwar trügen die Fluggesellschaften das unternehmerische Risiko, doch könnten weit reichende Veränderungen unbillige Härten bedeuten. Eine Reduzierung der Nachtflüge könne man allerdings durch Verlagerungskonzepte, teils in andere Städte, teils in die Randstunden zwischen 22 und 23 Uhr sowie zwischen fünf und sechs Uhr erreichen. Auch durch Maßnahmen wie erhöhte Lande- und Abfertigungsentgelte in den Nachtstunden und niedrigere Entgelte in den Stunden tagsüber könne man eine Verlagerung von Flügen bewirken. Nicht zuletzt müssten Ausgleichsmaßnahmen erwogen werden.
Verärgert zeigte sich ein Betroffener: Als Bewohner der Rhein-Main-Region und Hauseigentümer könne für ihn die einzige Alternative nur in einem absoluten Nachtflugverbot bestehen. Außerdem sei nicht einzusehen, warum ausgerechnet die finanziellen Verluste der Fluggesellschaften gegen die gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung abzuwägen seien.